2.7.07 09:45 4 Kommentar(e)
Morgenwonne anderer Art
Es gibt eine Art Zauber – in uns. Er manifestiert sich in vielerlei Art in der Welt, in der wir sind – und doch kommt dieser Zauber aus unserem Innersten, denn wir müssen ihn erkennen, um ihn zu dem zu machen, was er ist.
Ein solcher Zauber begleitet mich alltäglich seit diesem Frühjahr. Vor meinem meistens offenen Bürofenster singt ein Vogel sein immer neues und erstaunlich variationsreiches Lied. Ich wüsste gerne, was das für ein Vogel ist, und früge hierfür gerne Großmutters Freundin Inge aus Darmstadt, deren Zeigefinger-große Augen-„Horch!“ mir immer vor dem geistigen Auge sein wird. Sie könnte mir sicher sofort sagen, ob das hier ihre Mönchsgrasmücke ist oder eine sehr kreative Amsel, eine Johann-Sebastian-Bach-Stadt-Amsel.
Apropos Amsel. Das Ganze wäre zwar immer noch schön, aber nicht wirklich weiter erwähnenswert, baute sich nicht ein gewisser Mythos darum auf. Denn erstens denke ich dabei unweigerlich und täglich an „die Amsel“, also eigentlich die zwei Amseln, die jeden Morgen gleichzeitig vor unserem Küchenfenster und dem der Zelle, in der mein Stiefvater ein halbes Jahr verbrachte, als ich sechs war, sangen. Eine kleine Banalität in der Natur also, wie sie millionenfach jeden Morgen geschieht und doch den Menschen Verbundenheit, Halt und Trost zu bieten in der Lage ist.
Zum anderen sehe ich von diesem Fenster aus nicht, wo sich dieser Vogel befindet. Ich blicke auf die drei oberen Geschosse zweier Häuser und den Himmel darüber. Der Vogel jedoch klingt, als säße er zwei Meter vor mir. Ob er mir etwas sagen will? Ob er verschwände, wenn ich ihn sähe? Ist er denn wirklich da?
Er hörte kurz auf zu singen, als ich die ersten Worte dieses Text schrieb. Ich bekam schon Angst, dass der Zauber verflog, weil ich anfing, über ihn zu schreiben, ihn offen nannte. So schnell zerbricht das Glück!
Doch soeben hob er wieder fröhlich an und spendet etwas Licht unter dem trüben Himmel dieses verregneten Montagmorgens.
Einen schönen Tag denn,