25.11.06 09:45 0 Kommentar(e)
Der Geier
Es war ein Geier, der hackte in meine Füße. Stiefel und Strümpfe hatte er schon aufgerissen, nun hackte er schon in die Füße selbst. Immer schlug er zu, flog dann unruhig mehrmals um mich und setzte dann die Arbeit fort. Es kam ein Herr vorüber, sah ein Weilchen zu und fragte dann, warum ich den Geier dulde. "Ich bin ja wehrlos", sagte ich, "er kam und fing zu hacken an, da wollte ich ihn natürlich wegtreiben, versuchte ihn sogar zu würgen, aber ein solches Tier hat große Kräfte, auch wollte er mir schon ins Gesicht springen, da opferte ich lieber die Füße. Nun sind sie schon fast zerrissen." "Dass Sie sich so quälen lassen", sagte der Herr, "ein Schuss und der Geier ist erledigt." "Ist das so?" fragte ich, "und wollen Sie das besorgen?" "Gern", sagte der Herr, "ich muss nur nach Hause gehn und mein Gewehr holen. Können Sie noch eine halbe Stunde warten?" "Das weiß ich nicht", sagte ich und stand eine Weile starr vor Schmerz, dann sagte ich: "Bitte, versuchen Sie es für jeden Fall." "Gut", sagte der Herr, "ich werde mich beeilen." Der Geier hatte während des Gespräches ruhig zugehört und die Blicke zwischen mir und dem Herrn wandern lassen. Jetzt sah ich, dass er alles verstanden hatte, er flog auf, weit beugte er sich zurück, um genug Schwung zu bekommen und stieß dann wie ein Speerwerfer den Schnabel durch meinen Mund tief in mich. Zurückfallend fühlte ich befreit, wie er in meinem alle Tiefen füllenden, alle Ufer überfließenden Blut unrettbar ertrank.
Franz Kafka
12:57 0 Kommentar(e)
Eine kleine Geburt
Ich lebte mit Frau Sobernheimer;
sie war so lieb, sie war so nett.
Wir wuschen uns im selben Eimer,
wir schliefen in demselben Bett.
So trieben wir es manches Jahr ...
Bis sie den Knaben mir gebar.
Doch dieser Knabe war kein Knabe.
Wir hatten in der dunklen Nacht
als Zeitvertreib und Liebesgabe
uns dieses Wesen ausgedacht.
Frau S. war jeden Kindes bar.
Der Knabe, der hieß Waldemar.
Und war so klug! – Nach fünfzehn Tagen,
gelebt im Kinderparadies,
da konnte er schon Scheibe sagen,
bis man ihm solches leicht verwies.
Er setzte sich aufs Tintenfaß
und machte meinen Schreibtisch naß.
Er wuchs heran, der Eltern Freude,
ein braves, aufgewecktes Kind.
Wir merkten an ihm alle beude,
wie süß der Liebe Früchte sind.
Da fragte Mutti ganz real:
»Was wird der Junge denn nun mal –?«
Hebamme? General? Direktor?
Bootlegger? Hirt? Ein Schiffsbarbier?
Verlorner Mädchenheim-Inspektor?
Biographist? Gerichtsvollziehr?
Ein Freudenmännchen? Jubilar –?
Uneinig war das Elternpaar.
Ein Krach stieg auf, bis zu den Sternen!
Frau S., die krisch. Die Türe knallt.
Sie wollt ihn lassen Bildung lernen,
ich aber war für Staatsanwalt.
Ein Kompromiß nahm sie nicht an:
im Kino, als Bedürfnismann.
Der Lümmel grölte in der Küche
und fand den Krach ganz wunderbar.
So ging die Liebe in die Brüche –
und alles wegen Waldemar?
Da sprach ich fest: »Mein trautes Glück!
Wir geben dieses Jör zurück!«
Gemacht.
Nun ist Frau Sobernheimer
wie ehedem so lieb und nett.
Wir waschen uns im selben Eimer,
wir schlafen in demselben Bett.
Und denken nur noch hier und dar
mal an den seligen Waldemar.
(Theobald Tiger; Die Weltbühne, 20.01.1931, Nr. 3, S. 101)
sie war so lieb, sie war so nett.
Wir wuschen uns im selben Eimer,
wir schliefen in demselben Bett.
So trieben wir es manches Jahr ...
Bis sie den Knaben mir gebar.
Doch dieser Knabe war kein Knabe.
Wir hatten in der dunklen Nacht
als Zeitvertreib und Liebesgabe
uns dieses Wesen ausgedacht.
Frau S. war jeden Kindes bar.
Der Knabe, der hieß Waldemar.
Und war so klug! – Nach fünfzehn Tagen,
gelebt im Kinderparadies,
da konnte er schon Scheibe sagen,
bis man ihm solches leicht verwies.
Er setzte sich aufs Tintenfaß
und machte meinen Schreibtisch naß.
Er wuchs heran, der Eltern Freude,
ein braves, aufgewecktes Kind.
Wir merkten an ihm alle beude,
wie süß der Liebe Früchte sind.
Da fragte Mutti ganz real:
»Was wird der Junge denn nun mal –?«
Hebamme? General? Direktor?
Bootlegger? Hirt? Ein Schiffsbarbier?
Verlorner Mädchenheim-Inspektor?
Biographist? Gerichtsvollziehr?
Ein Freudenmännchen? Jubilar –?
Uneinig war das Elternpaar.
Ein Krach stieg auf, bis zu den Sternen!
Frau S., die krisch. Die Türe knallt.
Sie wollt ihn lassen Bildung lernen,
ich aber war für Staatsanwalt.
Ein Kompromiß nahm sie nicht an:
im Kino, als Bedürfnismann.
Der Lümmel grölte in der Küche
und fand den Krach ganz wunderbar.
So ging die Liebe in die Brüche –
und alles wegen Waldemar?
Da sprach ich fest: »Mein trautes Glück!
Wir geben dieses Jör zurück!«
Gemacht.
Nun ist Frau Sobernheimer
wie ehedem so lieb und nett.
Wir waschen uns im selben Eimer,
wir schlafen in demselben Bett.
Und denken nur noch hier und dar
mal an den seligen Waldemar.
(Theobald Tiger; Die Weltbühne, 20.01.1931, Nr. 3, S. 101)
18.11.06 14:03 2 Kommentar(e)
Guten Morgen
Samstagmorgen 12:36, Leipziger Innenstadt. Ein völlig nützlicher Mensch verlässt kurz das Haus. Brötchen und Kakao schweben ihm vor.
Auf dem Hin- und Rückweg begegnet ihm ein ebenso verschlafener Mann mit der T-Shirt-Aufschrift: "Augenblick des Glücks".
Vor seinem Haus packt eine Frau eine Kiste aus einem Kombi mit italienischem Kennzeichen. Als er ihre funkelnden grünen Augen bemerkt, hält sie kurz inne.
Der Wind riecht erstaunlich nach Frühling.
Auf dem Hin- und Rückweg begegnet ihm ein ebenso verschlafener Mann mit der T-Shirt-Aufschrift: "Augenblick des Glücks".
Vor seinem Haus packt eine Frau eine Kiste aus einem Kombi mit italienischem Kennzeichen. Als er ihre funkelnden grünen Augen bemerkt, hält sie kurz inne.
Der Wind riecht erstaunlich nach Frühling.
8.11.06 16:57 0 Kommentar(e)
I Was Hoping
As we were talking outside it was cold -
We were shivering yet warmed by the subject matter:
"My wife is in the next room,
We’ve been having troubles, you know.
Please don’t tell her or anyone,
But I need to talk to somebody."
You said "Wouldn’t it be a shame
If I knew how great I was five minutes before I died?
I’d be filled with such regret
Before I took my last breath" and I said
"But you’re willing to tell me this now
And you’re not going to die any time soon."
And I said “I haven’t been eating chicken or meat
or anything” and you said
“Yes but you’ve been wearing leather
and laughed and said we’re at the top of the food chain.
And yes you’re still a fine woman”
And I cringed.
I was hoping, I was hoping we could heal each other.
I was hoping, I was hoping we could be raw together.
We left the restaurant where the head waiter (in his 60s) said
"Good-bye Sir, thank you for your business Sir,
You’re successful and established, Sir.
And we like the frequency with
Which you dine here Sir
And your mone.y"
And when I walked by they said
"Thank you, too, dear."
I was all pigtails and cords
And there was a day when I would’ve said something like
"Hey dude I could buy and sell this place
So kiss it"
I too once thought I was owed something.
I was hoping, I was hoping we could challenge each other.
I was hoping, I was hoping we could crack each other up.
I too once thought that when proved wrong that I lost somehow.
I too once thought life was cruel.
It’s a cycle really I think I’m withdrawing and guilt tripping
You - I think you’re insensitive.
And I don’t feel heard and I said "Do you believe we are
Fundamentally judgmental? Fundamentally evil?
And you said “Yes”, I said “I don’t believe in revenge
In right or wrong, good or bad, you said
"Well what about the man that I saw handcuffed in the emergency room
Bleeding after beating his kid
And she threw a shoe at his head.
I think what he did was wrong and I would’ve had a hard time
Feeling compassion for him."
I had to watch my tone for fear of having you feel judged.
I was hoping, I was hoping we could dance together.
I was hoping, I was hoping we could be creamy together.
(Von Alanis Morissette, in wunderbarer Version zu finden auf ihrem MTV unplugged-Album.)
We were shivering yet warmed by the subject matter:
"My wife is in the next room,
We’ve been having troubles, you know.
Please don’t tell her or anyone,
But I need to talk to somebody."
You said "Wouldn’t it be a shame
If I knew how great I was five minutes before I died?
I’d be filled with such regret
Before I took my last breath" and I said
"But you’re willing to tell me this now
And you’re not going to die any time soon."
And I said “I haven’t been eating chicken or meat
or anything” and you said
“Yes but you’ve been wearing leather
and laughed and said we’re at the top of the food chain.
And yes you’re still a fine woman”
And I cringed.
I was hoping, I was hoping we could heal each other.
I was hoping, I was hoping we could be raw together.
We left the restaurant where the head waiter (in his 60s) said
"Good-bye Sir, thank you for your business Sir,
You’re successful and established, Sir.
And we like the frequency with
Which you dine here Sir
And your mone.y"
And when I walked by they said
"Thank you, too, dear."
I was all pigtails and cords
And there was a day when I would’ve said something like
"Hey dude I could buy and sell this place
So kiss it"
I too once thought I was owed something.
I was hoping, I was hoping we could challenge each other.
I was hoping, I was hoping we could crack each other up.
I too once thought that when proved wrong that I lost somehow.
I too once thought life was cruel.
It’s a cycle really I think I’m withdrawing and guilt tripping
You - I think you’re insensitive.
And I don’t feel heard and I said "Do you believe we are
Fundamentally judgmental? Fundamentally evil?
And you said “Yes”, I said “I don’t believe in revenge
In right or wrong, good or bad, you said
"Well what about the man that I saw handcuffed in the emergency room
Bleeding after beating his kid
And she threw a shoe at his head.
I think what he did was wrong and I would’ve had a hard time
Feeling compassion for him."
I had to watch my tone for fear of having you feel judged.
I was hoping, I was hoping we could dance together.
I was hoping, I was hoping we could be creamy together.
(Von Alanis Morissette, in wunderbarer Version zu finden auf ihrem MTV unplugged-Album.)
Labels: lyrics
7.11.06 16:06 4 Kommentar(e)
So. Wieder da.
Habe eine Sinusitis (klingt doch eigentlich toll, oder?) überstanden und darf wieder alltageln.
Dabei stieß ich dank des momentan alleinigen Betreibers des Zweiradinstandsetzungsbetriebs "Zur Sanft von Hinten Blasenden Brise", das mir fast jede Mittagspause angenehm zu gestalten die Güte hat, auf eine herrliche Wortspielerei, die mich seither (mitunter auch laut) schmunzeln lässt:
«Du, was isn die Mehrzahl von Wischmopp?»
Ich musste schneller grinsen als antworten.
Der Wischmopp.
Die Wischmöppe.
Die Wischmopps.
...und kam mirniggsdirniggs beim
Der Wischmops.
an. Seither sehe ich vor meinem geistigen Auge einen knautschigen und nassen Kurzbeiner aus einem Eimer lugen. Und freue mich.
In dem Moment, in dem der Stiel das Szenario betritt, schaltet mein artiges Hirn weg.
Und nochwas: Mit
Der Wischmob.
gebahr die Situation ein schigges Schimpfwort für Reinigungspersonal, nicht wahr?
Danke, Ronny. Dein
PS: Anlässlich dessen passt es ausgezeichnet, auf eine grandiose (und leider längst eingegangene) Formation klingender deutscher Hochkultur hinzuweisen:
Fischmob.
Die Mitglieder mit den wohltönenden Namen DJ Koze, Sven Franzisko, Cosmic DJ und Stachy bescherten mir manch vergnügliche Stunde, zum Beispiel durch das Album POWER, auf dem Hits wie «Susanne zur Freiheit» enthalten waren. Und wer erinnert sich nicht gerne an Textstellen wie «Ich hab für Dich Spinat gekocht, doch Du bist nicht gekomm'»?
Und wer «Denn die Mutter von alledem heißt Musik. Und Mutter hat immer Recht.» sagt, gehört olympt.
Dabei stieß ich dank des momentan alleinigen Betreibers des Zweiradinstandsetzungsbetriebs "Zur Sanft von Hinten Blasenden Brise", das mir fast jede Mittagspause angenehm zu gestalten die Güte hat, auf eine herrliche Wortspielerei, die mich seither (mitunter auch laut) schmunzeln lässt:
«Du, was isn die Mehrzahl von Wischmopp?»
Ich musste schneller grinsen als antworten.
Der Wischmopp.
Die Wischmöppe.
Die Wischmopps.
...und kam mirniggsdirniggs beim
Der Wischmops.
an. Seither sehe ich vor meinem geistigen Auge einen knautschigen und nassen Kurzbeiner aus einem Eimer lugen. Und freue mich.
In dem Moment, in dem der Stiel das Szenario betritt, schaltet mein artiges Hirn weg.
Und nochwas: Mit
Der Wischmob.
gebahr die Situation ein schigges Schimpfwort für Reinigungspersonal, nicht wahr?
Danke, Ronny. Dein
PS: Anlässlich dessen passt es ausgezeichnet, auf eine grandiose (und leider längst eingegangene) Formation klingender deutscher Hochkultur hinzuweisen:
Fischmob.
Die Mitglieder mit den wohltönenden Namen DJ Koze, Sven Franzisko, Cosmic DJ und Stachy bescherten mir manch vergnügliche Stunde, zum Beispiel durch das Album POWER, auf dem Hits wie «Susanne zur Freiheit» enthalten waren. Und wer erinnert sich nicht gerne an Textstellen wie «Ich hab für Dich Spinat gekocht, doch Du bist nicht gekomm'»?
Und wer «Denn die Mutter von alledem heißt Musik. Und Mutter hat immer Recht.» sagt, gehört olympt.
4.11.06 21:41 1 Kommentar(e)
All the Colours of the World
Dies ist für:Hans - schnell wieder gesund werden, hörst du?!
Don't have a cent
Will I pay my rent?
And even my car doesn't work
Me and my man
He's the one to die for
We have split up
Can't you see
Life's easy
If you consider things
From another point of view
Oh yeah
In another way
From another point of view
I see life and light
All the colours of the world
So beautiful
Won't you come with me
I see birds and trees
All the flowers of the world
So beautiful
Won't you come with me
Oh yeah
In another way
From another point of view
Can't you see
Life's easy
If you consider things
From another point of view
Oh yeah
In another way
From another point of view
(DB Boulevard - Point of View)
Don't have a cent
Will I pay my rent?
And even my car doesn't work
Me and my man
He's the one to die for
We have split up
Can't you see
Life's easy
If you consider things
From another point of view
Oh yeah
In another way
From another point of view
I see life and light
All the colours of the world
So beautiful
Won't you come with me
I see birds and trees
All the flowers of the world
So beautiful
Won't you come with me
Oh yeah
In another way
From another point of view
Can't you see
Life's easy
If you consider things
From another point of view
Oh yeah
In another way
From another point of view
(DB Boulevard - Point of View)
Labels: lyrics